Bödelibahn
Berichterstattung / Zusammengestellt von HR Lüthy, Gestaltung von Franz Straka

Information der Bahnlinie

Betriebseröffnung:
Därligen-Interlaken 12. August 1872
Interlaken-Bönigen 01. Juli 1874
Betriebslänge:
Därligen-Interlaken 4.329 m Interlaken-Bönigen 4.124 m
Rückkauf durch die Thunerseebahn:
01. Januar 1900
Betriebseinstellung:
Interlaken Ost - Bönigen 31. Mai 1969
. . . der Auftakt zur Eisenbahngeschichte um Interlaken

Interlaken ist im europäischen, ja sogar im weltweiten Tourismus zum festen Begriff geworden . Die erste Interlaken berührende Eisenbahnlinie war die in den Jahren 1872-1874 eröffnete normalspurige Bödelibahn (Därlingen-Interlaken-Bönigen). Als die Konzession für die erste Sektion der Bödelibahn erteilt wurde, galt sie auch als erste Teilstrecke einer normalspurigen Brüniglinie von Bern über Thun, Interlaken und den Brünigpass nach Luzern. Diese Verbindung schien Bern um so wichtiger, als inzwischen die Entscheidung für eine alpenüberquerende Eisenbahn zugunsten der Gotthardlinie gefallen war. Obwohl das Brünigprojekt immer wieder aufgegriffen und in mehreren Varianten untersucht wurde, blieb es Jahr um Jahr unverwirklicht. Erst nach der Eröffnung des Durchgangsverkehrs auf der Gotthardbahn 1882 erhielt es neuen Auftrieb. Allerdings liess sich nur eine Schmalspurbahn, zwischen 1886 und 1888 auf der Teilstrecke Brienz-Luzern, finanzieren.


"Bödelibahn"-Komposition mit E2/2 und Doppelstockwagen in Interlaken ca. 1875. Foto: VHS

Bereits seit 1861 fuhren die Dampfzüge der „Schweizerischen Centralbahn“ von Bern via Münsingen zum Seebahnhof Thun-Scherzligen, wo die Thunersee-Schiffe anlegten. Um die Güterwagen direkt nach Interlaken bringen zu können, richtete die Bödelibahn im Jahr 1873 einen Trajektverkehr mit zwei eigenen Fährschiffen ein. So blieb die Bödelibahn nach wie vor isoliert. Von Westen, von Thun her, liess der Anschluss ebenso auf sich warten wie nun auch von Osten, von Brienz.

Ausserdem passten die Spurweiten nicht zusammen. Der Traum von der grossen Durchgangsverbindung war schon damals zu Ende. Allerdings spielte nicht nur die Personenbeförderung zwischen den beiden Seen und Interlaken eine Rolle für die Bödelibahn, sondern auch der Gütertransport. Der gesamte Hotel- und Gaststättenbedarf musste damals auf diesem Weg gedeckt werden, und in umgekehrter Richtung verliessen das Bödeli vor allem Eisblöcke, die aus dem Unteren Grindelwaldgletscher gesägt und bis Paris, Wien und Bukarest exportiert wurden. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts liess die inzwischen entwickelte Kunsteisherstellung diese Erwerbsquelle versiegen.

Bekannt gemacht hat die Bödelibahn über das kleinen Gebiet hinaus, für das sie von Bedeutung war, allein ihr Fahrzeugpark. Die Personenzüge bestanden aus weinrot-schokoladebraunen Doppelstockwagen. Die Fremden hielten sie für Aussichtswagen und betrachteten sie als bemerkenswerten Dienst am Gast, aber auch von den Einheimischen wurden sie mit ein wenig Stolz betrachtet. Die Direktion hatte indessen weniger die Werbewirksamkeit als ein möglichst


E 2/2 Nummer 3 "Zephir" ca. 1880. Foto: VHS
Werbewirksamkeit als ein möglichst günstiges Eigengewicht, bezogen auf den einzelnen Sitzplatz, im Auge gehabt. Sparsamkeit liessen auch die drei Dampflokomotiven erkennen, mit denen die Züge zwischen Därligen und Bönigen hin und her dampften. Sie kamen mit nur zwei gekuppelten Achsen aus . Insgesamt verfügte die Bödelibahn über drei derartige Dampflokomotiven. E 2/2 Nr. 1 „Bise“, E 2/2 Nr. 2 „Föhn“, und E 2/2 Nr. 3 „Zephir“, Baujahr 1874 . Ihre Höchstgeschwindigkeit betrug 25 km/h, die Leistung lag bei 90 PS. Dank dem Dienstgewicht von 14 t, der Länge von 6 m sowie dem Dampfdruck von 12 Atm. war dieser Loktyp sehr leistungsfähig. Die Kamine mussten wegen den Doppelstockwagen entsprechend verlängert werden. Während die kuriosen Doppelstockwagen durchweg um die Jahrhundertwende verschrottet wurden, fanden die Dampflokomotiven neue Besitzer. Die Lok Nr. 3 erhielt 1895 einen zweiten Kessel. So ist die „Zephir“, 1874 von Krauss in München gebaut, an die Metallwerk AG in Dornach verkauft worden, wo sie bis 1970 eingesetzt war und in den Besitz der Modelleisenbahnfreunde Zweilütschinen kam. 1986 remisiert in Spiez, 1995 remisiert in Huttwil und 1996 bei der Eurovapor-Werkstätte Huttwil aufgearbeitet, blieb sie bis heute erhalten. Zum 125-jährigen Jubiläum der Bödelibahn im Jahr 1997 dampfte sie erstmals wieder zwischen Därligen, Interlaken und Bönigen.

E 2/2 Nummer 3 ex "Bödelibahn" der Metallwerke Dorrrach um 1970. Foto: E. Suter

Auch „Bise“ und „Föhn“ stammten aus dem Lokwerk Krauss in München. Die Nr. 1 „Bise“, 1872 gebaut und 1899 mit neuem Kessel ausgerüstet, wurde bereits 1916 nach Frankreich verkauft und die Lok Nr. 2 „Föhn“ im Jahr 1895 ausrangiert. Im Mai 1899 schloss sich die Bödelibahn an die Thunerseebahn an. Die noch vorhandenen Dampfloks erhielten die dem Schema der Thunerseebahn angepassten Betriebsnummern 71 und 72. Der Fusionsvertrag wurde per 1. Januar 1900 wirksam.

So begann mit dem neuen Jahrhundert auch ein neues Eisenbahnzeitalter für Interlaken. Ab 20. Januar 1912 gehörte auch die Dampfschiff-Gesellschaft Thuner- und Brienzersee zur „Thunerseebahn“ . Doch schon ein Jahr später hörte sie selbst auf zu bestehen: am 1. Januar 1913 wurde sie von der Berner-Alpenbahn-Gesellschaft Bern-Lötschberg-Simplon ( BLS ) übernommen, die damit ihr Streckennetz auch nach Interlaken und darüber hinaus bis Bönigen ausdehnte. So dient die „alte Bödelibahn“ noch heute dem Ortsverkehr, wobei die Fahrkarten wechselweise auf der Buslinie zwischen West- und Ostbahnhof Interlaken gelten. Kurz nach der Jahrhundertwende hätte eine elektrische Strassenbahn beide Bahnhöfe verbinden sollen. Die Konzession dafür wurde am 19. Juni 1903 erteilt. Zu jener Zeit entstanden jedoch auch umfassende Vorstudien für einen „Centralbahnhof“, der wesentlich näher am Ortskern hätte liegen sollen, etwa in der Mitte zwischen West- und Ostbahnhof. Beide bestehenden Bahnhöfe wären damit ebenso überflüssig geworden wie die projektierte Strassenbahn als Verbindung. Die Projekte blieben lange im Gespräch, wurden letzten Endes aber doch nicht verwirklicht. Mit der Einrichtung einer Busverbindung durch die BLS zwischen West- und Ostbahnhof war auch die Strassenbahn kein Thema mehr. Mit der Brüniglinie (Brienz-Interlaken am 23. August 1916 eröffnet) und den Berner Oberland-Bahnen hat Interlaken-Ost die weitaus grössere Bedeutung. Ausser den beiden unterschiedlichen Spurweiten von 1435 und 1000 mm treffen in Interlaken-Ost auch zwei verschiedene Stromsysteme zusammen: die Fernstrecken von BLS/SBB benützen 15000 Volt und 16 2/3 Hertz Einphasenwechselstrom und die BOB fährt mit 1500 Volt Gleichstrom.

Da die Strecke nach Lauterbrunnen und Grindelwald nicht, wie die Bödelibahn einst erwartet hatte, von Bönigen ausging, sondern von Interlaken-Ost und die Brienzersee-Schiffahrt ihre Endstation dorthin verlegte, verlor die Reststrecke zwischen Interlaken Ost und Bönigen, vom geringen Lokalverkehr abgesehen, jede Bedeutung und wurde per 31. Mai 1969 eingestellt. Aber der Bödelibahn ist es zu verdanken, dass Interlaken im Gesamten zu einem wichtigen Eisenbahnknotenpunkt im Berner Oberland geworden ist.

Quellen

•  Die Jungfrau-Region und ihre Bahnen von Ralf Roman Rossberg/Hallwag-Verlag
•  Der Dampfbetrieb der schweiz. Eisenbahnen/Alfr. Moser SVEA
•  Angaben der BLS
•  Bildmaterial VHS Luzern

Berichterstattung / Zusammengestellt von HR Lüthy
Gestaltung von Franz Straka
Mai 2011